Reformierte Theologie – fromm und freudlos?
Wie die Erkenntnis Gottes zu echter Freude und Hoffnung führt
Die calvinistische Theologie hat immer schon biblische und lehrmäßige Erkenntnis stark betont – und das zurecht. Wir werden verwandelt durch die Erneuerung unseres Sinnes (Röm 12,1–2). Diese Verwandlung ist eine notwendige Voraussetzung für unsere Anbetung, denn wir erhalten durch die Erleuchtung des Geistes mittels der Heiligen Schrift ein Verständnis von Gott und seinen Wegen. Aber der Calvinismus – zumindest in seinen folgerichtigen Formen – war niemals rein zerebral. Die Geschichte des reformierten Christentums ist auch die Geschichte der höchsten Form geistlicher Erfahrung. Calvinistische Lehre, die in gottverherrlichenden Worten des Lobpreises ausgedrückt wird, führt zu einer distinkten christlichen Erfahrung. Die Melodie, die intellektuell in der calvinistischen Theologie komponiert und enthusiastisch in der reformierten Anbetung gesungen wird, kann auch im Lebensstil und der Erfahrung reformierter Christen gehört werden.
Die Ernsthaftigkeit der reformierten Welt- und Lebensanschauung bedeutet, dass, selbst wenn die Melodie in Moll gespielt wird, sie eine Melodie bleibt. Ja, um eine Metapher Calvins zu gebrauchen, indem diese Melodie in der Gemeinde gespielt wird, wird sie zu einer herrlichen Symphonie, die die folgenden Motive miteinander verbindet:
- Vertrauen auf die Souveränität Gottes.
- Die Erfahrung der Macht der Gnade Gottes, hoffnungs- und hilflose Sünder zu retten.
- Das überwältigende Bewusstsein dafür, von einem Retter geliebt zu werden, der gezielt und erfolgreich für die eigenen Sünden gestorben ist.
- Die Entdeckung einer Gnade, die einen Menschen frei macht, Christus zu vertrauen, zu dienen und zu lieben, ohne den eigenen Willen zu verletzen.
- Die stille Zuversicht und Gelassenheit, die aus dem Wissen entsteht, dass Gott sich dazu verpflichtet hat, mit seinem Volk auszuharren, bis die ganze erlöste Gemeinde gerettet ist und nicht mehr sündigen kann.
Diese Motive vereinen sich, um Gott allein die Ehre zu geben.
Das Wesen des calvinistischen Lebens ist es, auf eine Weise zu leben, die Gott verherrlicht. Denn das ist es, worauf die Antwort der Eröffnungsfrage des Kürzeren Westminster Katechismus abzielt: „Das höchste Ziel des Menschen ist, Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu erfreuen“. Hier ist die größte Überraschung beim Calvinismus, die viele Menschen erleben:
„Die Herrlichkeit Gottes und die Freude des Menschen stehen nicht im Widerspruch, sondern sind im Ratschluss Gottes miteinander verbunden.“
Die Herrlichkeit Gottes und die Freude des Menschen stehen nicht im Widerspruch, sondern sind im Ratschluss Gottes miteinander verbunden.
Die Ansicht, dass die Herrlichkeit Gottes den Menschen schmälert und ihm Freude nimmt, ist im Licht (oder sollten wir sagen der „Finsternis“) von 1. Mose 3 die Lüge über Gott, die mit der Wahrheit vertauscht wurde (Röm 1,25). Es ist die satanische Theologie, die Gott gegen den Menschen ausspielt.
In scharfem Kontrast dazu öffnet eine biblische Theologie, die Gott in seiner souveränen Gnade und Herrlichkeit erhebt, die Tür für den Menschen, eine gänzlich andere Wirklichkeitsordnung zu betreten. Hier wird die Erfahrung und Freude an den reichen Genüssen der wiederhergestellten Gemeinschaft mit Gott angeboten, die Verwandlung in das Ebenbild Christi und die Erwartung, dort mit Christus zu sein, wo er ist, und ihn in seiner Herrlichkeit zu sehen (Joh 17,24).