Enthält die Bibel Fehler?

Artikel von R.C. Sproul
23. August 2019 — 3 Min Lesedauer

„Die Bibel ist das Wort Gottes, enthält jedoch Fehler“. Seit dem Auftreten der  neo-orthodoxen Theologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist diese These bei denen zu einem Mantra geworden, die eine hohe Sicht der Schrift haben und gleichzeitig der akademischen Verantwortung ausweichen wollen, biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit zu bestätigen. Jedoch ist diese Aussage der klassische Fall dafür, dass man nicht alles gleichzeitig haben kann. Es ist ein exemplarischer Widerspruch.

Lasst uns diese unmögliche theologische Formel nochmal ansehen. Wenn wir den ersten Teil, „Die Bibel ist“, weglassen, erhalten wir „Das Wort Gottes, das Fehler hat“. Wenn wir danach noch „das Wort“ weglassen erhalten wir schließlich:

„Gott, [der] Fehler hat“.

„Die Vorstellung, dass Gott auf irgendeine Weise Fehler hat oder Fehler begeht, widerstrebt dem Verstand und der Seele.“

Die Vorstellung, dass Gott auf irgendeine Weise Fehler hat oder Fehler begeht, widerstrebt dem Verstand und der Seele. Hier erreicht die biblische Kritik den Tiefpunkt des biblischen Vandalismus.

Wie könnte ein fühlendes Wesen eine Formel ausdenken, die von dem Wort Gottes als fehlbar spricht? Es sollte offensichtlich sein, dass, wenn ein Buch das Wort Gottes ist, es dann keine Fehler enthält, ja keine Fehler enthalten kann. Wenn es Fehler enthält, dann ist und kann es nicht das Wort Gottes sein.

Gott irgendwelche Irrtümer oder Fehlbarkeit zuzuschreiben, ist eine Extremform der dialektischen Theologie.

Vielleicht können wir diesen Widerspruch auflösen, indem wir sagen, dass die Bibel mit göttlicher Offenbarung anfängt, die das Kennzeichen von unfehlbarer Wahrheit trägt, aber diese Offenbarung kommt zu uns vermittelt durch menschliche Autoren, die, aufgrund ihrer Menschlichkeit, die ursprüngliche Offenbarung durch ihren Hang zum Irrtum korrumpieren. Errare humanum est („irren ist menschlich“), rief Karl Barth aus, und bestand darauf, dass, wenn man den Irrtum leugnet, man nichts übrig habe als eine doketische Bibel – eine Bibel, die menschlich „scheine“, aber in Wirklichkeit nur das Produkt einer Phantommenschlichkeit sei.

Wer würde den menschlichen Hang zum Irrtum abstreiten? Ja, dieser Hang ist der Grund für die biblischen Konzepte der Inspiration und der göttlichen Aufsicht über die Heilige Schrift. Die klassische, rechtgläubige Theologie ging immer davon aus, dass der Heilige Geist den menschlichen Irrtum überwindet, wenn er den biblischen Text hervorbringt.

Barth sagte, dass die Bibel das „Wort“ (verbum) Gottes sei, aber nicht die „Worte“ (verba) Gottes. Mit diesem Akt theologischer Gymnastik hoffte er, das unlösbare Dilemma zu lösen, indem er die Bibel das Wort Gottes nannte, das Fehler hat. Wenn die Bibel fehlbar wäre, dann wäre sie ein Buch der menschlichen Reflektion über die göttliche Offenbarung – einfach nur ein weiteres menschliches Theologiebuch. Es mag tiefe theologische Einsichten enthalten, aber es wäre nicht das Wort Gottes.

Kritiker der Irrtumslosigkeit argumentieren, dass diese Lehre eine Erfindung der protestantischen Scholastik aus dem 17. Jahrhundert sei, wobei der Verstand über die Offenbarung siegte – was bedeuten würde, dass die Reformatoren diese Lehre nicht vertreten hätten. Zum Beispiel, so wird gesagt, gebrauchte Martin Luther niemals den Begriff Irrtumslosigkeit. Das stimmt. Was er jedoch sagte, war, dass die Heilige Schrift niemals irrt. Auch Johannes Calvin gebrauchte nicht diesen Begriff. Er sagte, dass die Bibel so aufgenommen werden sollte, als ob wir ihre Worte hörbar vom Munde Gottes aufnehmen würden. Auch wenn die Reformatoren den Begriff Irrtumslosigkeit nicht gebrauchten, artikulierten sie doch deutlich das Konzept dahinter.

Irenäus lebte lange vor dem 17. Jahrhundert, genauso wie Augustinus, der Apostel Paulus und Jesus. Sie alle, und weitere mehr, lehrten deutlich die absolute Wahrhaftigkeit der Heiligen Schrift.

Die Verteidigung der Irrtumslosigkeit durch die Kirche beruht auf ihrem Vertrauen auf die Sicht von der Schrift, die Jesus selbst vertrat und lehrte. Wir wünschen uns eine Sicht auf die Schrift, die weder höher noch niedriger als seine Sicht ist.

Die uneingeschränkte Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift muss in jeder Generation und gegen jede Kritik verteidigt werden.