Beschäftigtsein und Ruhen

Jesus tat nur, was er tun sollte

Artikel von Kevin DeYoung
26. Juli 2019 — 6 Min Lesedauer

Über die Jahre hat eine Bibelstelle aus dem Markusevangelium mich immer wieder zum Staunen bebracht. Im Markusevangelium lesen wir:

Und am Morgen, als es noch sehr dunkel war, stand er auf, ging hinaus an einen einsamen Ort und betete dort. Und es folgten ihm Simon und die, welche bei ihm waren; und als sie ihn gefunden hatten, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich! Und er spricht zu ihnen: Lasst uns in die umliegenden Orte gehen, damit ich auch dort verkündige; denn dazu bin ich gekommen! Und er verkündigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus. (Mk 1,35–39)

Jesus fasziniert mich: seine Menschwerdung, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und seine Erhöhung. Es ist kaum zu fassen, was er alles für uns getan hat.

Aber ich bin auch erstaunt über die einfacheren Dinge im Leben von Jesus, wie die Tatsache, dass er nie ein unbedachtes Wort äußerte, niemals einen Tag vergeudete, niemals vom Plan des Vaters abwich. Ich habe oft gestaunt, als ich darüber nachdachte, dass Jesus so unheimlich beschäftigt war, aber nur mit den Dingen, die er tun sollte.

Viele von uns sind so vertraut mit den Evangelien, dass wir das Offensichtliche übersehen: Jesus war ein sehr beschäftigter Mann. Eines der Lieblingsworte von Markus ist „alsbald“. Drei Jahre lang waren Jesus und seine Jünger in einem Wirbelsturm der Aktivität. Ein Ereignis folgt unmittelbar dem nächsten. In Markus 1 beginnt Jesus seinen öffentlichen Dienst, indem er in der Synagoge lehrt, einen unreinen Geist zurechtweist, sich um die Schwiegermutter von Petrus kümmert und dann spät bis in die Nacht aufbleibt, um viele zu heilen, die an mancherlei Krankheiten litten und viele Dämonen austrieb (1,14–34). An einem Punkt ist Jesus sogar zu beschäftigt, um zu essen, und seine Familie denkt, dass er seinen Verstand verliert (3,20–21). Die ganze Zeit über kommen Menschenmengen zu Jesus. Einzelne suchen ständig nach ihm und verlangen nach seiner Zeit und Aufmerksamkeit. Den Eindruck, den wir von den Evangelien erhalten, ist, dass er fast jeden Tag über drei Jahre hinweg predigte, heilte und Dämonen austrieb.

Glaube also nicht, dass Jesus eine Art esoterischer Lehrer ist, der sein ganzes Leben einsam in der Kontemplation verbrachte. Wenn Jesus heute im Fleisch dienen würde, würde er mehr E-Mails als jeder andere von uns bekommen. Die Menschen und die Medien würden um seine Aufmerksamkeit buhlen. Jesus hielt sich nicht aus dem täglichen Kampf zurück, unberührt von dem Druck des normalen menschlichen Lebens. Er wurde in allem versucht in ähnlicher Weise wie wir, doch ohne Sünde (Hebr 4,15). Und das umfasst die Versuchung, auf sündhafte Weise beschäftigt zu sein.

Aber das war er nicht. Sündhaft, meine ich. Er war beschäftigt, aber niemals auf eine Weise, die ihn frenetisch, besorgt, reizbar, stolz, neidisch oder abgelenkt durch unwichtige Dinge machte. Als in Kapernaum alle auf seine heilende Berührung warteten, zog er sich an einen einsamen Ort zurück, um zu beten. Und als seine Jünger ihn drängten, zurück zu seinem Dienst zu kehren, ging er in eine andere Stadt, um zu verkündigen. Jesus kannte den Unterschied zwischen dringlich und wichtig. Er verstand, dass all die guten Dinge, die er tun könnte, nicht unbedingt die Dinge waren, die er tun sollte.

Wenn Jesus bewusst seine Prioritäten abstecken musste, dann müssen wir das auch. Wir werden es zu unserer Mission machen müssen, die richtige Mission zu verfolgen. Wir werden nein sagen müssen zu guten Dingen. Und wir werden uns anstrengen müssen, uns auszuruhen.

Ungefähr vor fünf Jahren entdeckte ich neu die Bedeutung von regelmäßigem Sport. Ich mochte es schon als Kind, joggen zu gehen, und habe es auch in der Schule und der Universität gemacht. Aber als die Jahre vergingen (und ein paar Pfund dazukamen), wurde Sport zu etwas, das ich immer weniger tat. Aber dann haben ein Freund und ich uns entschieden, uns für einen Triathlon anzumelden; etwas, das wir nie zuvor getan hatten. Also begann ich damit, zu schwimmen, Fahrrad zu fahren und laufen zu gehen – so gut wie jeden Tag der Woche, außer am Sonntag.

Und weißt du was? Ich hab es wirklich gemocht. Und tue es immer noch. Es ist eines der besten Dinge, die ich in den letzten fünf Jahren gemacht habe. Ich bin mir sicher, dass ich jede Woche mehr schaffe, indem ich meine Aufgabenliste unterbreche und mir Zeit nehme, um Sport zu treiben.

Aber ich habe gelernt, dass auch wenn Sport eine Art „Ruhe“ ist, man keinen Nutzen daraus zieht, wenn man nicht tatsächlich ruht. Da ich ein besserer Student bin als ein Athlet, habe ich neben dem Sport treiben mich auch viel darüber belesen. Ich habe in den letzten Jahren mehr als zwei Dutzend Bücher über Schwimmen, Fahrrad fahren und Laufen gelesen. Das größte Hemmnis für Menschen, die gern Sport treiben wollen (und die sogar darüber lesen) ist nicht Willenskraft oder harte Arbeit. Es ist Ruhe. Wenn du Sport treibst, werden dein Herz und deine Lungen angespannt; dazu erleiden deine Muskeln durch die Anstrengung mikroskopische Risse. Der Sport selbst macht dich nicht stärker. Nur wenn du ruhst, wird dein Körper gestärkt. „Also das war irgendwie schwer“, sagt sich dein Körper. „Wir sollten etwas mehr Muskeln aufbauen, nächstes Mal etwas mehr Fett verbrennen, mehr Blut durch den Kreislauf jagen und die Lungen erweitern, um mehr Sauerstoff aufzunehmen.“

Ein Artikel, den ich las, hatte sechs Trainingsregeln für professionelle Athleten. Regel Nummer 1,2 und 3: Du strengst dich viel zu sehr an. Und Regel Nummer 6: Du musst mehr schlafen. Genauso wie mit unserem Körper, so ist es auch mit unserem Geist:

„Im Sport wie im Leben werden wir nie wachsen, wenn wir nie ruhen.“

 

Die Fähigkeit für unseren Körper, unseren Geist und unser Herz, größere Herausforderungen zu meistern, wird nicht maximiert, indem wir uns jeden Tag immer mehr anstrengen. Im Sport wie im Leben werden wir nie wachsen, wenn wir nie ruhen.

Es gibt immer die Gefahr, in Gesetzlichkeit zu fallen, wenn wir über Ruhe reden oder insbesondere über Sabbatruhe. Aber zu große Skrupelhaftigkeit ist wahrscheinlich für die meisten von uns nicht das Problem. Gottes Gabe zu vernachlässigen ist die weit größere Gefahr. Die erste Sache, die wir über den Sabbat bedenken sollten, ist das, was Jesus sagte: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Ruhe – an irgendeinem Tag – ist Gottes Gabe an uns, aber nur, wenn wir ihm genug vertrauen, um sie in Anspruch zu nehmen.