Unsere Berufung zur Treue

Warum Gott dabei so wichtig ist

Artikel von David Strain
22. Juli 2019 — 8 Min Lesedauer

Ein Christ zu sein heißt, zu einem Leben in Treue berufen zu sein. Aber die Pflicht der christlichen Treue sollte, recht verstanden, als unsere Antwort auf die Treue Gottes gesehen werden. Und bevor wir von Gottes Treue gegenüber uns reden können, müssen wir zuerst daran denken, dass Gott vor allem treu gegenüber sich selbst ist. Er handelt immer in vollkommener Übereinstimmung mit seinem eigenen heiligen Charakter und Ratschluss. Sein oberstes Ziel ist seine eigene Herrlichkeit. Diesem Ziel gegenüber ist er stets treu. In Jesaja 48,9–11 ist das Motiv, weshalb der Herr sein Gericht zurückhält, er selbst und die Ehre seines Namens:

Um meines Namens willen bin ich langmütig, und um meiner Ehre willen halte ich mich zurück, dir zugute, um dich nicht auszurotten. Siehe, ich habe dich geläutert, aber nicht im Silberschmelzofen; im Schmelzofen des Elends habe ich dich geprüft. Um meinetwillen, um meinetwillen will ich es vollbringen! Denn wie würde ich sonst gelästert! Und ich will meine Ehre keinem anderen geben.

Gleichermaßen ergeht die große Verheißung des neuen Bundes in Hesekiel 36 im Kontext von Gottes Absicht, um seines eigenen Namens willen zu handeln:

Darum sprich zu dem Haus Israel: So spricht GOTT, der Herr: Nicht um euretwillen tue ich dies, Haus Israel, sondern wegen meines heiligen Namens, den ihr entweiht habt unter den Heidenvölkern, zu denen ihr gekommen seid. Darum will ich meinen großen Namen wieder heilig machen, der vor den Heidenvölkern entheiligt worden ist, den ihr unter ihnen entheiligt habt! … Und ich will reines Wasser über euch sprengen. … Und ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres legen. … Ja, ich will meinen Geist in euer Inneres legen und werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechtsbestimmungen befolgt und tut. (Hes 36,22–27)

Gottes Herrlichkeit, die Ehre seines Namens, steht auf dem Spiel bei allem, was er tut. Also ist Gott zuallererst treu gegenüber sich selbst. 2. Timotheus 2,13 enthält den Grund, warum Gott treu bleibt, selbst wenn wir untreu sind, dass „er sich nicht verleugnen kann“. Dass Gott untreu würde, selbst im Angesicht unserer zahllosen Treulosigkeiten, ist unmöglich. Gott muss sich selbst treu sein. Diese notwendige Treue Gottes gegenüber sich selbst ist der Grund unserer Hoffnung und der Quell allen Segens, den wir jemals erfahren können. Daraus entspringt jede Zurschaustellung der Herrlichkeit, Größe und Gnade Gottes. Darauf ruht die Verlässlichkeit jedes seiner Versprechen. Es ist das Fundament des Evangeliums und die Wurzel der Erlösung, die in Jesus Christus für Sünder erlangt wurde. Die Menschwerdung, Leiden und Herrlichkeit unseres Retters können alles als Auswirkung der göttlichen Treue verstanden werden. Jesus kam, blutete und starb, weil Gott treu zu sich selbst ist.

Das erklärt die Treue Christi gegenüber Gott. Indem er Christus und Mose gegenüberstellt, ermahnt uns der Schreiber des Hebräerbriefs:

Betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Christus Jesus, welcher dem treu ist, der ihn eingesetzt hat, wie es auch Mose war in seinem ganzen Haus. … Auch Mose ist treu gewesen als Diener in seinem ganzen Haus, zum Zeugnis dessen, was verkündet werden sollte, Christus aber als Sohn über sein eigenes Haus; und sein Haus sind wir, wenn wir die Zuversicht und das Rühmen der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten. (Hebr 3,1–2,5–6)

„Die Treue Gottes gegenüber sich selbst und die Treue Christi gegenüber dem Vater schafft die tiefen Wurzeln der Treue Gottes gegenüber seinem Bundesvolk.“
 

Die Treue Christi gegenüber Gott ist die Treue des Sohnes gegenüber seinem Vater im Erlangen der Errettung entsprechend den Bedingungen des Bundes der Erlösung. Das bedeutet, dass wir nur die Spitze des Eisbergs sehen, wenn wir von der Treue Gottes in Christus zu uns reden. Die Treue Gottes, die wir im Evangelium erfahren, ist der Teil, den wir oberhalb des Wassers sehen können. Aber unter dieser Wahrheit und ihr Auftrieb gebend, damit wir sie erkennen und uns an ihr erfreuen können, ist der größere Teil von Gottes Treue, die oft nicht bemerkt und übersehen wird: seine Treue gegenüber sich selbst und die Treue des Sohnes gegenüber dem Vater in der Erlangung unserer Erlösung zur Ehre von Gottes Namen.

Um die Metapher zu verwenden: Die Treue Gottes gegenüber sich selbst und die Treue Christi gegenüber dem Vater schafft die tiefen Wurzeln der Treue Gottes gegenüber seinem Bundesvolk. Diese herrliche, intratrinitarische Sicht von Gottes Treue schafft das Leben, in dem unsere Treue gegenüber Gott die Frucht ist. Wir sind Gott treu, weil er uns treu ist. Aber wie wir gesehen haben, ist er treu, weil er sich selbst treu ist. Er handelt „um seines Namens willen“.

Deshalb wird christliche Treue als eine Frucht des Heiligen Geistes beschrieben (Gal 5,22). Er selbst ist die Frucht der göttlichen Treue und so bringt der Geist in uns die Frucht der Treue Gottes hervor. Die Heiligen, die Paulus in seinen Briefen an die Epheser und Kolosser anschreibt, werden die „Getreuen in Christus Jesus“ genannt (Eph 1,1; Kol 1,2). Treue kennzeichnet die Christen, nicht als Grundlage für ihre Annahme bei Gott, sondern als Beweis dafür.

Manchmal hat Treue im Neuen Testament mit Ausharren zu tun. In Apostelgeschichte 11,23, als die Neuigkeiten über die Gemeinde, die in Antiochia gegründet wurde, nach Jerusalem kamen, sandte die Gemeinde in Jerusalem Barnabas dorthin, der „als er ankam und die Gnade Gottes sah, sich freute und alle ermahnte, mit festem Herzen bei dem Herrn zu bleiben“. Gleichermaßen wird die Gemeinde in Offenbarung 2,10 dazu aufgerufen, „getreu zu sein bis in den Tod, so wird [Christus] dir die Krone des Lebens geben!“

Es ist jedoch aufschlussreich, zu beobachten, dass das Neue Testament die Vokabel der Treue am meisten im Kontext unserer Haushalterschaft unserer Gaben für den Dienst gebraucht. Man denke hier an die scharfe Zurechtweisung der Schriftgelehrten und Pharisäer durch unseren Retter in Matthäus 23,23. Sie verzehnteten „die Minze und den Anis und den Kümmel“, aber sie „vernachlässigten das Wichtigere im Gesetz, nämlich das Recht und das Erbarmen und den Glauben“. Wir sehen hier, wie Treue mit Recht und Barmherzigkeit zu tun hat und sich auf unsere Treue gegenüber unseren Nächsten im Dienst für Gott beziehen muss. Oder denke an die eindringlichen Gleichnisse aus Matthäus 24,45-51 und 25,14-30, in denen der treue und weise Knecht in die Freude des Herrn eingeht, weil er weise gehandelt hat mit den Ressourcen des Hauses seines Herrn. Im Gegensatz dazu wird der untreue Knecht scharf verurteilt und in die äußerste Finsternis verbannt, wo Heulen und Zähneknirschen ist. Der große Beweis dafür, in einer richtigen Beziehung mit Gott zu sein, ist die treue Haushalterschaft seiner Gnade in unserem Leben zu seiner Ehre. Ein Mangel an Treue demonstriert, dass wir keine guten Haushalter sind und nicht in sein Reich gehören. Untätigkeit im Dienst für den Herrn, wenn wir behaupten, seine Treue in Christus empfangen zu haben, ist in der Tat eine sehr gefährliche Sache.

Ferner hebt Paulus wiederholt Treue als wesentliches Kennzeichen eines Dieners am Evangelium hervor (Timotheus in 1Kor 4,17; Tychikus in Eph 6,21 und Kol 4,7; Epaphras in Kol 1,7; Onesimus in Kol 4,9). In 1. Korinther 4,1-2 sagt Paulus, dass „man uns so betrachten soll: als Diener des Christus und Haushalter der Geheimnisse Gottes. Im Übrigen wird von einem Haushalter nur verlangt, dass er treu erfunden wird“. Treue ist das Kennzeichen der Verkündiger des Evangeliums und der Diener Christi. Deshalb ermahnt Paulus Timotheus in 2. Timotheus 2,2 dazu, die Lehre des Paulus „treuen Menschen anzuvertrauen, die fähig sein werden, auch andere zu lehren“.

Es wird demnach deutlich, dass Treue die weise Haushalterschaft des Wortes Gottes umfasst. Sie beinhaltet Fleiß in der Arbeitsethik und die Fähigkeit, die Wahrheit Gottes zu eröffnen, wenn es die Situation erlaubt. Das ist es, was es heißt, ein treuer Haushalter zu sein. Aber Treue ist ein Ausdruck des Dienens, der auf jeden Christen angewendet wird, nicht nur auf ordinierte Diener am Evangelium. In 3. Johannes 5–6 beschreibt zum Beispiel der Apostel die Praxis der christlichen Gastfreundschaft als einen Akt der Treue: „Mein Lieber, du handelst treu in dem, was du an den Brüdern tust, auch an den unbekannten, die von deiner Liebe Zeugnis abgelegt haben vor der Gemeinde“.

Wenn wir, als Gläubige, am Ende das „Recht so, du guter und treuer Knecht!“ ihres Meisters hören, in dessen Haus wir Knechte gewesen sind, werden wir erkennen – auf eine Art und Weise, die wir hier nur erahnen und oft übersehen – dass das Wunder der biblischen Beschreibung der christlichen Treue darin besteht, dass unsere Treue auf Erden nur das Ergebnis der Treue Gottes zu uns und die Frucht von Gottes Treue zu sich selbst war. Ein großer Teil an der Freude des Herrn, in die wir eines Tages eingehen werden, wird sein, wenn wir erkennen, dass Christus uns für die Frucht seines eigenen großen Werkes, für uns am Kreuz und in uns durch seinen Geist, belohnt. Wir werden uns niederbeugen und bekennen, dass wir unwürdige Knechte sind, die nur ihre Pflicht getan haben (Lk 17,10), aber Christus wird uns seine Herrlichkeit überströmend widerfahren lassen und uns mit Freude in seine Gegenwart willkommen heißen im krönenden Akt seiner Bundestreue. „Treu ist er, der euch beruft; er wird es auch tun“ (1Thess 5,24).