Paulus’ Ratschläge an Prediger
Wenn wir den Apostel Paulus um Rat fragen würden, wie wir als Prediger Gott ehren können, würde er sagen, „Verkündige das Wort“ (2Tim 4,2), höre nicht auf, „den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen“ (Apg 20,27) und betone immer das zentrale Thema: das Evangelium von Jesus Christus. So fasste Paulus seine eigene Dienstphilosophie zusammen. In 1. Korinther 2,2 packte er den Schlüssel für eine Verkündigung, die Gott ehrt, in einen kurzen Satz: „Ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten“ (1Kor 2,2).
Die heutige allgemeine Weisheit könnte sagen, dass solch eine Strategie nicht ausgefeilt genug ist, nicht ansprechend genug, nicht feinsinnig genug, um eine durch und durch heidnische Gesellschaft zu erreichen. Aber das Leben und das Vermächtnis von Paulus beweisen das Gegenteil. Schon bevor er zum ersten Mal nach Korinth kam, hatten sich Paulus und seine Gefährten einen Ruf verdient als „Leute, die die ganze Welt in Aufruhr versetzen“ (Apg 17,6).
Diese Aussage beweist, dass die Evangeliumsverkündigung von Paulus (und seinen Gefährten) effektiv war. Aber sie war nicht als Kompliment gemeint. Sie war, was die jüdischen Führer in Thessalonich über Paulus sagten – kurz bevor sie einen Aufruhr anzettelten. Die Tatsache, dass die Gemeinde schnell wuchs und die äußeren Ränder des Römischen Reiches erreichte (und darüber hinaus) bedeutet gewiss nicht, dass die Apostel einen Weg fanden, ihre Botschaft populär zu machen. Das Evangelium war im ersten Jahrhundert genauso wenig populär wie heute. Die Mehrheit der Menschen lehnte die Botschaft ab – oft gewaltsam.
Der Widerstand, dem sich Paulus in Thessalonich gegenübersah, war nicht ungewöhnlich oder unerwartet. Bevor er in diese Stadt kam, war er schon heftigem Widerstand in Antiochia, Ikonium und Lystra begegnet (2Tim 3,11). Er wurde in Lystra sogar gesteinigt und für tot gehalten (Apg 14,19). In Philippi wurde er durch eine Meute angegriffen, ausgezogen, mit Stöcken geschlagen und ins Gefängnis geworfen (Apg 16,22-23).
In dem Maße, wie die Gemeinde wuchs, wuchs auch die Feindseligkeit der breiteren Gesellschaft. Ungefähr vier Jahre, nachdem Paulus aus Thessalonich vertrieben wurde, reagierte Ephesus noch wütender auf das Evangelium (Apg 19,29).
Was bedeutsam ist, ist, dass Paulus angesichts solchen Widerstands keine Anstalten machte, seine Methodologie auf eine Weise anzupassen, die seine Kritiker besänftigen oder Vorwürfen aus dem Weg gehen würde. Er war sich der „gefühlten Bedürfnisse“ der Menschen vollkommen bewusst: „Die Juden fordern ein Zeichen und die Griechen verlangen Weisheit“ (1Kor 1,22). Aber er richtete seine Strategie nicht daran aus: „Wir verkündigen Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit“ (1Kor 1,23). Immer, wenn er in eine neue Region kam, ging er sofort am Sabbat zur örtlichen Synagoge und predigte Christus. Er verkündigte diese Botschaft kühn und ohne Entschuldigung, nicht um Menschen gegen sich aufzubringen, sondern um Gott zu verherrlichen. Für Paulus war dies „das Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes, das mir anvertraut worden ist“ (1Tim 1,11). Und es war ja schließlich eine gute Nachricht. Dennoch löste sie fast überall, wohin Paulus ging, Feindseligkeit aus.
Paulus reagierte darauf nicht, indem er das Evangelium weniger betonte oder einen Weg versuchte zu finden, um den Respekt einflussreicher Bürger zu gewinnen. Er gebrauchte in jeder Stadt die gleiche Strategie. Er ging von Thessalonich nach Beröa und predigte dort in der Synagoge (Apg 17,10). Als einige Radaumacher ihm aus Thessalonich folgten und versuchten, die Einwohner Beröas zu einem Aufruhr anzustacheln, zog Paulus nach Athen (Vers 15), wo er wiederum das Evangelium am Sabbat in der Synagoge verkündigte. Er predigte das Evangelium auch während der Woche auf dem Marktplatz Athens (Vers 17), wobei er dort sowohl Interesse als auch Meinungsverschiedenheiten auslöste.
Apostelgeschichte 17 führt im Folgenden aus, wie Paulus gebeten wurde, auf dem Areopag zu reden – der Versammlung von Philosophen und Intellektuellen. Das geschah nicht, weil er ihren Respekt gewonnen hatte, sondern fast genau aus dem gegenteiligen Grund: Die Philosophen dachten, er würde eine amüsierende Zerstreuung bieten (Vers 18).
Paulus war ein gebildeter Mensch, wohlvertraut mit den Philosophien und antiken Schriften der Athener. Er war imstande, klassische griechische Dichter zu zitieren. Aber Paulus versuchte nicht, die Athener mit philosophischen Argumenten oder seiner Redekunst zu beeindrucken. Er fing an, indem er ihnen erklärte, dass ihre religiösen Überzeugungen in Unwissenheit wurzelten. Er verkündigte, dass Gott Buße gebietet und eines Tages durch Christus die Welt richten wird (Verse 30-31). Mit anderen Worten, Paulus predigte Christus. Er war im Begriff, das Evangelium diesen Intellektuellen Athens tiefer auseinanderzusetzen, aber sobald er die Auferstehung erwähnte, bestand die Reaktion aus so viel Spott, Streit und Widerrede, dass die Versammlung aufgelöst werden musste.
Gewiss würde solch eine Reaktion – die ein voraussagbares Muster im Dienst von Paulus war – eine Neuausrichtung seiner ganzen Strategie nach sich ziehen. Richtig?
Falsch. Paulus ging im Anschluss nach Korinth, wo seine Strategie unverändert blieb. „Er hatte aber jeden Sabbat Unterredungen in der Synagoge und überzeugte Juden und Griechen“ (Apg 18,4). Gebrauchte er in Korinth andere Argumente? Er beantwortet diese Frage abschließend, wenn er sagt, dass er sich vorgenommen hatte, nichts anderes zu wissen „als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten“ (1Kor 2,2). Paulus blieb bei der Botschaft. Trotz heftigen Widerstands spielte er das Evangelium nie herunter oder wich davon ab. So ehrt man Gott von der Kanzel.