Der Wert der Bibel

Artikel von R.C. Sproul
26. November 2018 — 4 Min Lesedauer

Der Wert der Heiligen Schrift im Leben des Gläubigen liegt in ihrer Quelle und ihrer Funktion begründet. In seiner Ermahnung an Timotheus empfahl Paulus ihm die Heilige Schrift, indem er sagte: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit“ (2Tim 3,16).

Als ich ein kleiner Junge war, gab es jemanden in unserem Wohngebiet, der ein paar Jahre älter war als ich und sowas wie ein Schulhofschläger war. Er machte sich über mich lustig und beleidigte mich, was meine Gefühle verletzte. Manchmal kam ich weinend nach Hause zu meiner Mutter und erzählte ihr, was mir der Junge angetan hatte. Meine Mutter hatte darauf eine Lieblingsantwort. Während sie meine Tränen abwischte, sagte sie: „Wenn Menschen so mit dir reden, mein Sohn, dann bedenke die Quelle“.

Dieser weise Ratschlag meiner Mutter war ein Prinzip, das ich noch intensiver in der akademischen Welt kennenlernte. Eine der Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens ist, die Informationsquellen zu untersuchen, auf die man sich stützt, um sicherzustellen, dass sie verlässlich sind. Wissenschaftler müssen achtgeben, dass sie nicht alles sofort übernehmen, denn Glaubwürdigkeit hängt von der Quelle ab. Sie müssen analysieren, untersuchen und kritisieren, um die wahren Quellen herauszufinden.

Paulus vergewisserte Timotheus hier, dass die Quelle der Heiligen Schrift Gott ist. Dass die Heilige Schrift „von Gott eingegeben“ ist, bezieht sich nicht auf die Art und Weise, wie Gott die Niederschrift der Bibel beaufsichtigte, sondern auf die Quelle des Inhalts der Bibel. Das Wort, welches als „von Gott eingegeben“ übersetzt wird, ist der griechisches Ausdruck theopneust – wörtlich „von Gott ausgeatmet“. Als Paulus schrieb, dass die Bibel von Gott eingegeben ist, war der Gedanke nicht, dass sie eingeatmet, sondern dass sie ausgeatmet wurde; das heißt, die Bibel wurde von Gott ausgeatmet. Der ganze Punkt hier ist, dass die Bibel von Gott kommt. Sie ist sein Wort und trägt seine Autorität. Paulus wollte, dass Timotheus die Quelle der Bibel versteht; nicht, wie sie eingegeben wurde.

Nachdem er ausgesagt hatte, dass die Bibel von Gott eingegeben wurde, führte Paulus ihren Zweck und Wert aus. Die Heilige Schrift, sagt er, ist nützlich für verschiedene Dinge, einschließlich der Belehrung, Überführung, Zurechtweisung und der Erziehung in der Gerechtigkeit.

Der Wert der Bibel liegt zuallererst in der Tatsache, dass sie gesunde Lehre vermittelt. Obwohl wir in einer Zeit leben, in der gesunde Lehre wenig geschätzt wird, legt die Bibel darauf einen hohen Wert. Ein großer Teil des Neuen Testaments dreht sich um gesunde Lehre. Der Lehrdienst ist der Gemeinde gegeben, um ihre Mitglieder aufzuerbauen. Paulus sagte: „Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4,11–12).

Die Bibel ist auch nützlich zur Überführung und zur Zurechtweisung, die wir als Christen beständig brauchen. Es ist in manchen akademischen Kreisen Mode, die Bibel auf wissenschaftlicher Basis zu kritisieren. Indem sie das tun, stellen sich diese Theologen über die Bibel und versuchen, sie zu korrigieren. Aber wenn die Bibel tatsächlich das Wort Gottes ist, könnte nichts hochmütiger sein. Gott ist es, der uns korrigiert; nicht wir ihn. Wir stehen nicht über Gott, sondern unter ihm.

Das führt zu einer praktischen Hilfe für das Bibelstudium: Lies die Bibel mit einem Stift in der Hand. Ich schlage vor, dass du ein Fragezeichen neben jede Bibelstelle schreibst, die du undeutlich oder schwer zu verstehen findest. Setze gleichermaßen ein X neben jede Bibelstelle, die dich angreift oder unangenehm berührt. Nachher kannst du dich auf Gebiete konzentrieren, mit denen du ringst, besonders die Bibelstellen, die mit X markiert sind. Das kann ein Wegweiser zur Heiligkeit sein, indem die Xe uns rasch zeigen, wo unser Denken nicht dem Denken Christi entspricht. Wenn ich etwas nicht mag, was ich in der Heiligen Schrift lese, dann verstehe ich es vielleicht einfach nicht. Wenn dem so ist, kann es helfen, diese Stelle zu studieren. Wenn ich sie aber verstehe und sie immer noch nicht mag, dann ist das kein Zeichen, dass etwas mit der Bibel nicht stimmt. Es ist stattdessen ein Zeichen, dass etwas mit mir nicht stimmt, dass etwas sich ändern muss. Oft ist es so, dass, bevor wir etwas richtigmachen können, wir erst einmal herausfinden müssen, was wir falsch machen.

Wenn wir den „Sinneswandel“ erfahren, der Buße ausmacht, werden wir nicht sofort von allem falschen Denken gereinigt. Die Erneuerung unseres Sinnes ist ein lebenslanger Prozess. Wir können diesen Prozess beschleunigen, indem wir uns auf die Bibelstellen konzentrieren, die wir nicht mögen. Das ist Teil der „Erziehung in der Gerechtigkeit“, von der Paulus spricht.

Am Ende erklärt Paulus den überspannenden Zweck des Bibelstudiums. Er steht im letzten Teilsatz, wo der Apostel schreibt, „damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet“ (2Tim 3,17). Es ist, als ob Paulus Timotheus warnt, dass sein Leben unvollständig sein würde, wenn er das Studium des Wortes Gottes vernachlässigte. Er würde etwas von dieser riesigen Ressource verpassen, dem Schatz der Wahrheit, der das Wort Gottes ist. Das gleiche gilt für uns.