Glaube wird nicht vererbt
Von all den Dingen, vor denen ich Angst hatte, als ich Vater wurde, hatte ich nie erwartet, dass meine größte Furcht sein würde, dass meine Kinder automatisch annehmen würden, sie wären Christen.
Jeder Christ ist Christ der ersten Generation
Meine Frau und ich sind Christen in der ersten Generation. Für uns gibt es keine Erinnerungen an Basteln in der Sonntagsschule und Ausflüge mit dem Kindergottesdienst. Keine Kindergottesdienstlieder, die spontan angestimmt werden. Keine auswendig gelernten Verse, Missionsreisen oder regelmäßige Warnungen über die Gefahren von vorehelichem Sex. Ich war so wenig mit der christlichen Subkultur vertraut, dass ich bis zum Jahr 2015 noch kein Lied von Steven Curtis Chapman in Gänze gehört hatte. Ich sage das alles, um deutlich zu machen: Für uns ist das christliche Leben eine leere Tafel. Wir haben im allgemeinen keine Ahnung, was wir machen, und besonders was wir als Eltern bei der Erziehung unserer Kinder machen, in der Hoffnung, dass sie eines Tages Jesus lieben, ehren und dienen.
Die Erfahrung eines Freundes von mir ist das ganze Gegenteil. Er ist nicht der erste Christ in seiner Familie. Er ist der Sohn eines Pastors, der selbst Sohn eines Pastors war. Er weiß, wie er alles richtig macht. Er kennt alle Antworten, die er auf Bibelfragen geben sollte. Er nahm nicht nur an der Jugendarbeit teil, sondern leitete sie sogar. Die Erwartungen an ihn als Mitglied einer Familie mit einem Erbe der Christusnachfolge sind und werden sehr unterschiedlich sein als mir gegenüber. Wenn man sich das Vermächtnis seiner Familie anschaut, würden manche Leute ihn als Gläubigen in der vierten oder fünften Generation einstufen.
Aber wenn ich mit ihm rede, oder mit anderen Freunden, habe ich erkannt, dass das nicht stimmt. So funktioniert der christliche Glaube nicht, hat er nie. Gott scheint keinen von uns als Gläubigen der zweiten, dritten oder dreißigsten Generation zu sehen. Obwohl es viele Familien gibt – und ich bete, dass meine dazugehören wird – die eine lange Linie treuer Gläubiger unter sich haben, hat doch keiner von ihnen den christlichen Glauben ererbt. Jeder einzelne Gläubige in diesen langen Linien wurde auf die gleiche Weise gerettet: durch Gnade allein und durch Glauben allein (Eph 2,8). Ob sie den exakten Moment benennen können, an dem sie zum Glauben gekommen sind, oder ob Glauben so natürlich war wie Atmen, haben alle geglaubt und durch diesen Glauben allein wurde ihnen die Gerechtigkeit Christi zugerechnet (Röm 4,3). Egal wie viele Gläubige uns vorangegangen sind, jeder Christ ist ein Christ der ersten Generation.
Zweifellos denken viele, die das lesen: „Ja, klar. Die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben ist das Herz des Christentums. Das macht Christen zu Christen“. Aber gehen wir mit anderen so um, besonders mit unseren eigenen Kindern, als ob sie auch durch Glauben allein gerechtfertigt werden müssen, egal wie viele Generationen von Gläubigen ihnen vorausgegangen sind? Und, was am wichtigsten ist, was passiert, wenn wir so mit ihnen umgehen?
Unser Fokus wird stärker auf dem Herzen als dem Verhalten liegen
Weil wir nicht in den christlichen Glauben hineingeboren werden können – sondern nur von Neuem geboren werden (Joh 3,7) – können wir keine Annahmen über den Zustand des Herzens irgendeiner Person machen. Und es ist das Herz, auf dem unser Fokus liegen muss. Das bedeutet, dass wir biblischen Moralismus ablehnen müssen, nämlich die Vorstellung, dass die Schrift uns hauptsächlich lehrt, wie wir uns verhalten, statt an wen wir glauben sollen. Ohne die Notwendigkeit moralischer Unterweisung zu schmälern, sollte uns dieser Moralismus abschrecken. Sowohl als Elternteil als auch als Lehrer in einem Dienst an Kindern in der Gemeinde ist das Letzte, was ich tun will, eine Last auf sie zu legen, zu der sie ohne die Gnade Gottes gar nicht fähig sind und die sie gar nicht tragen sollten. Stattdessen möchte ich, dass sie Gottes große Liebe für sich in Christus erkennen, dass Jesu Gerechtigkeit uns durch Glauben allein gegeben wird und uns ermöglicht, als geliebte Kinder vor dem Vater zu stehen, und dass unser Verhalten eine Antwort auf das neue Leben und das neue Begehren ist, das uns durch Gott, den Heiligen Geist, gegeben wird.
Unsere Demut wird wachsen
Dieser Ansatz tötet unseren Stolz als Lehrer – und als Eltern. Er fordert uns heraus, vor den jungen Menschen um uns herum Buße zu tun, wenn sie sehen, dass wir nicht im Einklang mit dem Evangelium handeln. Es ermutigt uns, unsere Sündhaftigkeit gegenüber unseren Kindern anzuerkennen, und ihnen erkennen zu helfen, dass auch wir das Evangelium brauchen. Und wenn unsere Kinder Gläubige werden, geschieht das nicht, weil wir alles richtiggemacht haben, sondern weil Gott uns gnädig war.
Unsere Hoffnung liegt in der Souveränität Gottes
So wie dieser Ansatz uns ermutigt, unsere mangelnde Fähigkeit anzuerkennen, unsere Kinder zu Christen zu „machen“, führt er unsere Hoffnung auch genau dahin, wo sie sein sollte: auf die Souveränität Gottes. Wenn die Schrift sagt „bei dem HERRN ist die Rettung“ (Ps 3,9), dann gilt das auch für die Rettung unserer Kinder. Wir sind verantwortlich, ihnen gegenüber Zeugen zu sein, das Evangelium beständig und geduldig zu verkünden und den Samen des Wortes reichlich auszusäen, wie Jesus uns in seinem Gleichnis ermutigt (Mt 13). Aber nur Gott kann bewirken, dass dieser Same wächst.
Egal ob wir die ersten in unserer Familie sind, die glauben, oder die letzten in einer langen Linie treuer Nachfolger Jesu, jeder von uns wird durch das gleiche Evangelium und auf die gleiche Weise gerettet: durch Gnade allein und durch Glauben allein. Wenn wir das Evangelium weitergeben, besonders an die nächste Generation unserer biologischen Familien, lasst es uns mit dieser Einstellung tun. Lasst uns den Fokus auf ihr Herz legen, in Demut und mit vollem Vertrauen auf die Souveränität Gottes, und bereit sein, die nächste Generation von Christen zu treffen, die eigentlich die erste Generation ist.