Martin Luthers Theologische Grundbegriffe

Rezension von Ron Kubsch
1. August 2018 — 4 Min Lesedauer

Reinhold Rieger hat in akribischer Arbeit ein bemerkenswert hilfreiches Lehrbuch für die Lutherforschung geschaffen. Das Buch Martin Luthers theologische Grundbegriffe bietet eine Auswahl der wichtigsten Grundbegriffe Luthers und erklärt diese ausschließlich anhand von Aussagen des Reformators. Ron Kubsch stellt das Buch vor.

Reinhold Rieger, Akademischer Oberrat und außerplanmäßiger Professor für Kirchengeschichte an der Ev.-Theologischen-Fakultät Tübingen, hat in akribischer Arbeit ein bemerkenswert hilfreiches Lehrbuch für die Lutherforschung geschaffen. Das Buch Martin Luthers theologische Grundbegriffe bietet eine Auswahl der wichtigsten Grundbegriffe Luthers und erklärt diese ausschließlich anhand von Aussagen des Reformators. Damit füllt das Werk die Lücke zwischen Konkordanzen und systematischen Darstellungen der Theologie Luthers.

Luther hat in seinen Predigten und Schriften oft verschiedene Wörter benutzt, um ein und dieselbe Sache auszudrücken. Das ergibt sich schon allein dadurch, dass bei ihm lateinische und deutschsprachige Texte nebeneinander stehen. In mühevoller Kleinarbeit hat Reinhold Rieger diese bedeutungsverwandten Wörter, übrigens auch Antonyme und verschiedene Wortarten wie Substantive oder Adjektive, „auf den Begriff gebracht“.

Die aufgeführten Belegtexte sind keine genauen Übersetzungen aus dem Lateinischen oder Frühneuhochdeutschen, sondern eher Paraphrasen. Diese lassen allerdings das markante Lutherdeutsch noch erkennen und sind hervorragend lesbar. Die inhaltlichen Aussagen lassen sich auf diese Weise schnell erfassen.

Die verwendeten Quellentexte beziehen sich auf die Weimarer Werkausgabe (WA, WABr, DB). Ihre konsequente Nennung inklusive Zeilennummern macht es möglich, die Belegtexte im Originalwortlaut und Kontext vertiefend zu studieren (viele Bänder der WA sind übrigens hier einsehbar).

Ein Beispiel dazu: Bei dem Artikel über das „Gesetz“ wird natürlich Luthers Unterscheidung von Gesetz und Evangelium viel Raum gegeben. Verwiesen wird etwa auf (S. 109):

„Die höchste Kunst in der Christenheit ist die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Beides ist Gottes Wort, das Gesetz oder die Zehn Gebote und das Evangelium. Aber die zwei Worte sind recht zu unterscheiden und nicht ineinanderzumengen (36, 9, 24–10, 18).“ 

Eine Recherche in der WA zeigt einmal, um wie viel schwerer der Text dort zu verstehen ist. Zugleich erweitertet der Kontext aber auch das Verstehen. Dort ist nämlich zu lesen:

„Sant Paulus meinung ist diese, das inn der Christenheit sol beide, von den Predigern und Christen eine gewisse unterscheid geleret und gefasset werden zwischen dem gesetz und glauben, zwisschen dem gebot und Euangelion. Wie er denn solches auch dem Timotheo befihlt, das er vleissig zusehe und das wort der wahrheit recht teile u. Denn bis ißt die höchste kunst inn der Christenheit, die wir wissen sollen, und wo man auch die nicht weis, so kanstu nicht grundlich gewis werden, welcher ein Christen vor einem Heiden oder Juden sey. Denn inn dieser unterscheid ligt es gar. Darumb dringt Sant Paulus so hart darauff, das diese zwo lere inn der Christenheit wohl von einander gescheiden werden. Beides ist Gottes wort. Das Gesetz odder die zehen gebot, welches von Gott durch die Engel gegeben ist. Und das Euangelion, welches auch Gottes wort ist. Aber hie ligt de macht dran, das man die zwey wort recht unterscheide und nicht inn einander menge, sonst wird der eines verloren sein wo anders nicht alle beide.“

Die einzelnen Artikel setzen, wo gegeben, mit definitorischen Anmerkungen Luthers zum Schlagwort oder seinem Bedeutungsfeld ein. Im darauf folgenden Hauptartikel werden inhaltliche Aussagen sachlich gegliedert. Gelegentlich kommt dabei zutage, dass Luther seine Meinung geändert hat oder seine Stellungnahmen Widersprüche enthalten. Solche Begebenheiten werden nicht unterschlagen oder harmonisiert.

Um den Aufbau der Artikel nachvollziehen zu können, seien exemplarisch die Gliederung und Hauptgedanken zum Begriff „Abgott“ aufgeführt. Die Eintragung ist nach folgendem Muster vorgenommen worden:

"Wesen: Ein Idol oder Abgötterei ist nichts anderes als ein menschlicher Wahn und Gedanke, der vom Teufel unter dem Namen des wahren Gottes ins Herz eingebildet wird (16, 348, 22–24)."
"Es gibt zwei Arten von Götzendienst: äußeren und inneren. Der äußere geschieht, wenn der Mensch Holz, Steine, Tiere, Sterne anbetet. Dieser ist vom inneren Götzendienst bestimmt, durch den der Mensch aus Furcht vor Strafe oder aus Liebe die äußere Verehrung des Geschöpfes aufgibt, aber innerlich die Liebe und das Vertrauen zu ihm behält (1, 399, 11–17; vgl. 14, 593, 4; 16, 462, 18–463, 2)."
"Ursache: Allein das Trauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott (30I, 133, 4)."
"Der Götzendienst ist als solcher nur denen erkennbar, die an Christus glauben, da er den Schein der Heiligkeit hat (40II, 111, 20f.)."
"Beispiele für Götzendienst sind das Mönchsleben mit Fasten und Beten, das Priestertum der Papstkirche und die von ihm als Opfer verstandenen Messen (8, 417, 36–38; vgl. 6, 564, 28; 8, 489, 19; 30II, 307, 31–34; 38, 197, 23), erst recht die Privatmesse (40II, 111, 26f.)."

Ergänzt werden die einzelnen Artikel durch Literaturhinweise. Darin verarbeitet wurden bewährte Beiträge aus der Lutherforschung sowie jüngere Veröffentlichungen. Ein Sachregister erleichtert die Arbeit mit dem Leitfaden, zumal Stichwörter, denen kein eigener Artikel gewidmet ist, dort eingearbeitet worden sind.

Das Buch Martin Luthers theologische Grundbegriffe ist alles in allem ein sehr gelungenes Lehrbuch, das für den Reformator wichtige Begriffe anhand von Zitaten darstellt und ordnet. Jeder Student, Lehrer oder Verkündiger, der sich mit Luthers Theologie vertraut machen muss oder möchte, erhält hier ein vorzügliches Hilfsmittel zum fairen Preis.

Buch

Rieger, Reinhold. Martin Luthers Theologische Grundbegriffe: Von „Abendmahl“ bis „Zweifel“ (UTB Band 4871), Tübingen: Mohr Siebeck, 2017, 378 S. 24,99 €.