Gottgefällige Kritik üben und annehmen: Einander durch Worte schärfen
„Eisen wird durch Eisen geschärft, und ein Mann schärft das Angesicht seines Nächsten.“ (Spr 27,17)
Kritik ist etwas, wovor die meisten von uns weglaufen. Wir wollen schwierige Gespräche vermeiden, in denen unser Handeln, unsere Motive oder unser Dienst von anderen unter die Lupe genommen werden. Gleichzeitig möchten viele von uns Kritik auch nicht weitergeben, da wir nicht als richtend erscheinen oder riskieren wollen, die Gefühle von jemandem zu verletzen.
Auch wenn es sich merkwürdig anhört, will ich zeigen, dass biblische Kritik zu geben und anzunehmen ein notwendiges Element in gesunden Beziehungen und in einer gesunden Gemeinde ist. Wenn wir Menschen helfen wollen, im Glauben zu wachsen, aber keine biblische Kritik geben können, werden wir ihnen nicht wirklich helfen können. Gott gebraucht sein Volk, um einander in Liebe die Wahrheit zu sagen und das beinhaltet auch kritische Wahrheiten. Wenn man dieses Element weglässt, ist man wie ein Hirte ohne Stab.
Was ist biblische Kritik?
Das Wort „Kritik“ taucht nicht so häufig in unseren deutschen Bibeln auf, doch das Konzept schon. Begriffe wie ermahnen, zurechtweisen, korrigieren, warnen und anweisen meinen dasselbe.
„Wenn wir Menschen helfen wollen, im Glauben zu wachsen, aber keine biblische Kritik geben können, werden wir ihnen nicht wirklich helfen können. “
Das ist mein Versuch einer Definition von biblischer Kritik: eine korrigierende Beurteilung einer anderen Person und ihres Dienstes für den Herrn mit der Absicht, ihr zu helfen, sodass die Person in Treue gegenüber Gott wachsen kann. In diesem Artikel konzentriere ich mich darauf, wie wir im Kontext von christlichen Beziehungen biblische Kritik geben und annehmen können. Das kann zwischen Ehemann und Ehefrau, Freunden, Gemeindemitgliedern oder Gemeindemitarbeitern sein. Ich will auch betonen, dass wir über biblische Kritik sprechen. Das ist wichtig zu sagen, denn nicht alle Kritik ist biblisch. Manche Kritik ist satanisch.
Einige Leute üben Kritik, die von ihrem sündigen Fleisch inspiriert ist (1Kor 3,3), der es an geistlicher Weisheit fehlt (Jak 3,14–16) und die nichts anderes erzielt als andere zu verletzen (Gal 5,15). Oft zielt diese unbiblische Kritik darauf ab, andere zu zerstören und sich selbst zu erhöhen, indem man „geistlich“ erscheint (Lk 18,11–14; Spr 30,32). Dieser unsensible Angriff entbehrt jeder konstruktiven Gnade und verletzt die Menschen eher, als dass er ihnen hilft.
Damit wir vermeiden, diese Art von Kritik zu geben, will ich einige Hinweise geben, wie wir gottgefällige Kritik geben und annehmen sollten.
Wie man gottgefällige Kritik übt
1. Das Ziel ist Wachstum
Das Hauptziel in christlichen Beziehungen sollte sein, einander zu helfen in Christus zu wachsen (Eph 4,14–15). Das bedeutet, dass Kritik darauf abzielen muss, einander aufzubauen und nicht zu zerstören (2Kor 13,10). Wenn du also sprichst, überlege im Gebet, wie deine Worte konstruktive Gnade geben können, die dem anderen helfen wird, in Christus zu reifen (Eph 4,29). Zeige ihnen wie deine Korrektur, wenn sie angewandt wird, ihnen helfen kann, die Herrlichkeit Gottes besser widerzuspiegeln (Mt 5,16).
2. Kritisiere demütig
Stolz freut sich daran, andere zu kritisieren. Also, wenn du gerne Kritik austeilst, kann das ein Zeichen dafür sein, dass Stolz dein Herz bestimmt. Der beste Weg, um in Demut zu wachsen, ist, Gott für die vielen Wege zu danken, auf denen er dich gnädigerweise korrigiert hat. Führe dir vor Augen, wie gut die Evangeliumsbotschaft für dich ist und lass dich neu davon bewegen, wie gnädig Gott zu dir war (Eph 2,1–5). Das wird dir helfen, den Balken zuerst aus deinem Auge zu ziehen, bevor du jemandem hilfst, den Splitter aus seinem Augen zu entfernen (Mt 7,1–5).
3. Gib mit der Kritik auch Ermutigung
Kritik sollte so gut wie immer mit einer guten Prise von Ermutigung serviert werden. Das ist kein psychologischer Trick, um zu vermeiden, Gefühle zu verletzen, sondern ein Weg, um zu bestätigen, dass Gott in der Person wirkt, trotz ihres Bedarfs zu wachsen.
Wenn zum Beispiel meine Mitarbeiter mir Rückmeldung zu meinem Leitungsstil und meinen Predigten geben, ist es wichtig, dass sie mir helfen zu sehen, was ich verändern muss und was ich beibehalten sollte. Die kritischen Gespräche werden umso hilfreicher, wenn man neben den Verbesserungsvorschlägen auch auf Zeichen der Gnade hinweist.
4. Sei rücksichtsvoll
Überlege dir gut, was du sagen sollst, bevor du es sagst (Spr 29,20). Das wird dir helfen, alle kleinkarierte Kritik auszusieben und zum Kern von dem zu kommen, was wirklich gesagt werden muss. Frage dich selbst betend: „Was ist der Hauptpunkt, der angesprochen werden muss? Was hoffe ich, dass die Person nach dem Gespräch behält? Was muss wirklich gesagt werden und was kann weggelassen werden?“ Diese Vorarbeit wird dir selbst und auch der Person helfen, die du konfrontierst.
5. Sei klar
Wenn du Kritik übst, sei so klar wie möglich. Betrifft die Kritik Sünde oder die Persönlichkeit? Ist es eine große Sache oder könnte es zu einer großen Sache werden? Eine Art und Weise, um mehr Klarheit zu schaffen, ist es, klare Beispiele zu nennen.
Sage zum Beispiel nicht einfach: „Du bist rücksichtslos.“ Du kannst versuchen, es folgendermaßen anzusprechen: „Ich weiß, dass du gute Ideen hast, aber ich habe bemerkt, wie du andere unterbrichst, wenn sie reden. Ich weiß nicht, ob du es selber bemerkt hast, doch es vermittelt Leuten den Eindruck, dass du nicht hören möchtest, was sie zu sagen haben.“ Wenn du in deiner Kritik klar bist, wird es helfen, den eigentlichen Kern des Problems zu treffen.
6. Sei behutsam
„Es ist ein Zeichen von geistlicher Reife, Menschen behutsam zu helfen, geistlich zu wachsen.“
Verkleide deine Worte der Korrektur mit Sanftmut. Die Liebe versucht, die Wahrheit so zu vermitteln, dass sie leicht geschluckt werden kann. Es ist ein Zeichen von geistlicher Reife, Menschen behutsam zu helfen, geistlich zu wachsen (Gal 6,1). Güte sollte nicht als Schwäche angesehen werden, sondern vielmehr als eine Herzenshaltung, die Gott gebrauchen kann, um andere zur Umkehr zu führen (2Tim 2,24–26). Ein Weg, in der Güte zu wachsen, besteht darin, darüber nachzudenken, wie du wünschen würdest, dass jemand mit dir spricht, wenn er dieselbe Kritik üben würde (Mt 7,12). Wie kannst du ihnen Ehre erweisen und ihnen gleichzeitig helfen zu wachsen (Röm 12,10)? Wenn du darüber nachdenkst, wie dein Gegenüber deine Worte hören wird, kannst du deine Worte sanft wählen.
7. Sei geduldig
„Die Liebe ist geduldig“ (1Kor 13,4). Denke daran, dass einige Verhaltensmuster oder Sünden Zeit brauchen zur Korrektur, vor allem wenn sie tief im Herzen verankert sind. Sieh auf die Beziehung mit einer Langzeitperspektive und bitte Gott darum, nicht zu vergessen, wie geduldig er mit dir gewesen ist (2Mose 34,6). Das wird dich demütig vor Gott und geduldig mit denen machen, die du korrigieren musst.
8. Sei betend
Ruth Graham sagte einmal über ihren Ehemann: „Meine Aufgabe ist, Billy zu lieben; es ist Gottes Aufgabe, ihn zu verändern.“ In dieser Aussage steckt viel Weisheit. Auch wenn wir Wahrheit in ein Herz sprechen können, kann allein Gott den Samen wachsen lassen (1Kor 3,6). Das bedeutet, wenn wir nicht für Menschen beten, sollten wir ganz sicher nicht versuchen, sie zu verändern. Gott allein kann eine Person verändern, also bete für die andere Person.
Wie man biblische Kritik annimmt
1. Sei hungrig nach Wachstum
Wünschst du dir, im Glauben zu wachsen? Sehnst du dich danach, immer mehr wie Jesus zu werden? Wenn ja, musst du alles tun, was du kannst, um den Stolz zu töten, der versucht dein Image zu schützen. Wenn andere uns kritisieren, ist unsere natürliche Reaktion, uns selbst zu verteidigen und die Kritik mit Ausreden abzuwehren.
Brüder und Schwestern, tötet den Götzen des guten Images. In Sprüche 12,1 steht: „Wer Erziehung liebt, liebt Erkenntnis, wer Zurechtweisung hasst, ist dumm.“ Der Grund, warum diejenigen, die Zurechtweisung hassen, dumm sind, ist, weil es nichts Besseres gibt, als zur Ehre Gottes korrigiert zu werden. Flehe also Gott an, dass du in Heiligkeit wachsen kannst und dich von ihm immer mehr gebrauchen lässt. Bitte ihn dir zu helfen, dich nicht davor zu fürchten, gestärkt zu werden dadurch, dass du gedemütigt wirst mit Hilfe derer, die in dein Leben sprechen.
2. Erwarte, dass du Korrektur brauchst
Sprüche 12,15 erinnert uns, dass „der Weg des Narren in seinen eigenen Augen recht erscheint, der Weise aber hört auf Rat.“ Erwartest du, dass du Menschen in deinem Leben brauchst, die dich kritisieren und korrigieren? Erwartest du, dass andere Dinge an dir sehen, für die du blind bist? Es ist töricht anzunehmen, dass wir selbst an unseren besten Tagen nicht von der kritischen Einsicht anderer profitieren können.
3. Sei nicht leicht zu kränken
Spurgeon hat einmal den weisen Ratschlag gegeben: „Wenn jemand schlecht über dich denkt, sei nicht böse auf ihn, denn du bist noch schlechter als er es von dir denkt.“ Der Stolz in unseren Herzen wird oft dann entfacht, wenn jemand korrigierende Worte an uns richtet. Bitte Gott dir zu helfen, daran zu denken, dass egal was jemand dir sagt, es weit weniger einschneidend ist als das, was Gott dir im Evangelium gesagt hat.
4. Stelle klärende Fragen
Wenn dich jemand kritisiert, danke der Person dafür, dir im Wachstum zu helfen und stelle danach weiterführende Fragen. Frage nach Beispielen, um es besser zu verstehen. Frage nach Vorschlägen, wie du dich verbessern könntest. Dadurch wird die Kritik zu einem Gespräch, was immer der beste Rahmen für Wachstum ist.
5. Erwarte, dass es zumindest zum Teil wahr ist, was die andere Person sagt
Menschen sind nicht unfehlbar, und so kann es vorkommen, dass ihre Kritik oder ihr Tadel unangebracht und unberechtigt ist. Deine erste Reaktion sollte nicht darin bestehen, direkt zurückzuschießen, sondern zu sehen, ob irgendetwas von der Kritik doch zutrifft. Es ist selten, dass man nicht auch in der größten Ladung Müll ein kleines Goldstückchen finden kann.
6. Behalte die Gemeinde im Blick
Wenn du von anderen korrigiert wirst, bist du nicht der einzige, der davon profitiert. Du bist Teil des Leibes Christi, dein Wachstum ist ein Segen für alle anderen (1Kor 12). Ich könnte wahrscheinlich zehn bis 15 Korrekturen aufzählen, die ich über die Jahre hören durfte, die entscheidend die Richtung meines Lebens und meines Dienstes verändert haben.
„Es ist töricht anzunehmen, dass wir selbst an unseren besten Tagen nicht von der kritischen Einsicht anderer profitieren können.“
Eine, an die ich mich am häufigsten erinnere, kam während meines ersten Jahres im Predigtdienst, als ein Freund mich darauf hinwies, dass ich ständig über das Kreuz predige, aber selten die Auferstehung Jesu erwähne. Er ermutigte mich, Jesus in meinen Predigten aus dem Grab zu holen. Ich bin so dankbar für diese Kritik und ich bin so vielen anderen dankbar, die mich genug geliebt haben, um ihre biblische Kritik mit mir zu teilen.
7. Tue es zur Ehre Gottes
Im ersten Korintherbrief 10,31 heißt es: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut, tut alles zur Ehre Gottes!“ Das bedeutet, dass unser Ziel im Geben, Annehmen und Anwenden von Kritik immer darin bestehen muss, Gott in unserem Leben und im Leben von anderen sichtbar werden zu lassen. Wenn Gottes Ehre unser größtes Ziel ist, wird er unsere Herzen in den manchmal schwierigen und anstrengenden Gesprächen bewahren.
Wie man eine Kultur der gegenseitigen Schärfung schaffen kann
Was wir nicht tun wollen, ist eine Kultur der Kritik zu schaffen, in der wir ständig nach Fehlern bei anderen suchen. Stattdessen wollen wir beobachten, wie in der Gemeinde die Liebe und Fürsorge füreinander vertieft wird, dass Menschen bereit sind, tiefe, schmerzhafte, hilfreiche und charakterformende Gespräche zu führen, die Gott viel Ehre bringen.
1. Predige das Evangelium
Je regelmäßiger wir das Evangelium predigen und es auf uns selbst und andere anwenden, desto besser sind wir in der Lage, Kritik zu geben und zu empfangen, die auf Gnade ausgerichtet ist.
2. Lebe es vor
Pastors und geistlich reife Personen sollten den Personen um sie herum als Beispiel dienen (1Kor 11,1). Wie kannst du dich selbst für Kritik öffnen, um ein gutes Beispiel für deine Herde zu sein? Wie bietest du biblische Kritik an und begrüßt sie als Teil deiner Verabredungen, Familientreffen, Mitarbeitertreffen oder Jüngerschaftsbeziehungen?
3. Begrüße sie
Mache das Geben und Annehmen von biblischer Kritik zu einem Teil deiner Jüngerschaftsbeziehungen. Das bedeutet nicht, dass wir einander ständig kritisieren sollten, aber es bedeutet, dass wir einander erlauben sollten, frei miteinander zu sprechen. Oft sage ich den Leuten: „Ich erlaube dir zu jeder Zeit, mich auf etwas in meinem Leben aufmerksam zu machen, von dem du denkst, dass ich es hören sollte.“ Ich sage das nicht jedem, aber die Leute, die ich in der Jüngerschaft begleite, wissen, dass sie absolute Freiheit haben, jegliche Fragen zu stellen. Das hat sich als wunderbar fruchtbare und befreiende Angewohnheit erwiesen.
4. Organisiere es
Finde Wege, damit das Geben und Annehmen von Rückmeldung ein ganz normaler Teil deines Lebens wird. Während unserer Date-Abende fragen meine Frau und ich manchmal folgende Fragen: „Gibt es etwas, was ich aufhören sollte zu tun? Gibt es etwas, womit ich anfangen sollte? Gibt es etwas, womit ich auf jeden Fall weitermachen sollte?” Auf dieselbe Weise beinhalten unsere Mitarbeitertreffen Gebet, Planung und die Besprechung der Gottesdienste des vorangegangenen Sonntags. Diese Zeit, in der ich Feedback zu meinen Predigten erhalte, hat sich für mein Wachstum als Diener des Wortes Gottes als äußerst wertvoll erwiesen.
5. Bewahre dich selbst vor Kritiksucht
Wenn du Teil einer Gemeinde bist, in der biblische Kritik weitergegeben und angenommen wird, wirst du manchmal einen kritischen Geist entwickeln. Jedes Lied, jedes Gebet, jede Predigt und jedes Gespräch werden intensiv gemustert. Wir müssen unsere Herzen bewahren vor dieser sündigen Angewohnheit. Es ist nicht biblisch, immer kritisch zu sein, doch es ist biblisch, Personen durch Kritik zu helfen. Diesen Unterschied zu verstehen ist wichtig für das Leben jeder Person.
6. Fördere zugleich eine Kultur der Ermutigung
„Eine Kultur der Ermutigung ist der Schlüssel zu einer gesunden Kultur der Kritik.“
Eine Kultur der Ermutigung ist der Schlüssel zu einer gesunden Kultur der Kritik. Ich bin mir nicht sicher, was ein gesundes Maß ist, doch ich hoffe, dass meine Frau, meine Kinder, meine Freunde und meine Dienstpartner fünf bis zehnmal mehr Ermutigung von mir hören als Kritik. Wenn Ermutigung bewusst, anhaltend und ehrlich geschieht, wird die Kritik zum Poliertuch für unsere Herzen. Wenn nicht, wird sie ganz schnell zum Flammenwerfer.
7. Bete darüber
Bete, dass Gott eine Kultur in deiner Gemeinde schafft, in der jeder jedem helfen will zu wachsen. Bete, dass er dir und anderen die Weisheit gibt, einander in der Gottesfurcht anzuspornen (Hebr 10,24–25). Bete, dass er eine Demut in deiner Gemeinde schenkt, die sich daran erfreut, gemäß der Wahrheit Gottes korrigiert zu werden (Apg 17,11). Mehr als alles andere bete, dass die Gemeinde durch das Reden der Wahrheit in Liebe zu einem Körper erbaut wird, der Jesus die Ehre gibt (Eph 4,15).