Warum das Evangelium auch jetzt eine gute Nachricht für Gläubige ist
Wenn Sie denken, dass das Christenleben von ständiger Entmutigung und seltenen Siegen über die Sünde geprägt sein soll, dann ist Ihr Evangelium zu klein. Es hat ein riesiges Loch. Genau in der Mitte. Es ist ein Evangelium, bei dem wahrscheinlich viel davon handelt, in den Himmel und nicht in die Hölle zu kommen, oder von Dingen, die man Ungläubigen sagt – oder sagen sollte. Wenn also jemand ankommt und über evangeliumszentriertes Leben redet, dann denken Sie, er meint damit den Himmel oder die Evangelisation, aber sicher nicht Jüngerschaft. Wenn man Sie fragt, würden Sie sagen, das Evangelium ist jetzt eine gute Nachricht für Gläubige aufgrund dessen, was es damals für Sie getan hat (Rechtfertigung) und was es in Zukunft für Sie tun wird, wenn Sie sterben bzw. wenn Jesus zurückkommt (Verherrlichung). Sie hätten nicht viel – bzw. gar nichts – über Heiligung zu sagen. Auch hier würde ich sagen, Sie haben etwas absolut Zentrales am Evangelium übersehen – etwas zutiefst Hoffnungsvolles. Sie haben den Grund übersehen, warum das Evangelium gerade heute für Sie eine gute Nachricht ist, nicht nur gestern und morgen.
Was ist das Evangelium?
Das Evangelium ist die gute Nachricht, dass Gott Jesus gesandt hat, um das rückgängig zu machen, was Adam rückgängig gemacht hat (siehe z. B. Hebr 2,5-9; 1Kor 15,20-28; Röm 5,12-19): Jesus starb und auferstand für Sünder, so wie Gott versprochen hatte (1Kor 15,1-8). Es ist die gute Nachricht, dass wir wieder richtige Menschen sein können. Wir sind nicht mehr – wie Adam – aus Gottes Gegenwart ausgeschlossen und unter seinem Zorn. Der Garten – das Königreich – wurde mit einem Bonus zurückerlangt. Es ist die gute Nachricht, dass wir Söhne des zweiten Adam neu gemacht wurden – und nicht bloß gedanklich. Zwar noch nicht ganz (2Kor 3,18), aber tatsächlich, wirklich neu. Wir sind von Neuem geboren, sind neu gemacht worden, also wiedergeboren. Wir Söhne des zweiten Adam wurden neu gemacht, sind mit ihm zu neuem Leben erweckt worden. Seine Auferstehung garantiert unsere eigene (1Petr 1,3; Eph 2,5-6; u. a.). Wir sind neue Kreaturen (2Kor 5,17). Jawohl, das impliziert etwas ungemein Wichtiges für die Zukunft (1Kor 6,14; 2Kor 4,14). Und ja, es bedeutet, wir haben etwas, das wir jetzt unseren ungläubigen Nächsten sagen müssen, bevor es zu spät ist. Doch wir haben viel zu lange schon nicht verstanden, was das Evangelium für uns hier und jetzt bedeutet. Wir haben nicht erkannt, warum das Evangelium heute eine gute Nachricht für Christen ist.
Was bedeutet das Evangelium jetzt für Christen?
Erstens: Wenn uns neues Leben geschenkt wurde, wenn wir mit Christus auferweckt wurden, dann sind wir nicht mehr Sklaven der Sünde (Röm 7,1-6; vgl. 6,14; 8,2.12). Dieser alte, schreckliche, unterdrückende Tyrann wurde gestürzt, entthront. Und sein Chef, der Teufel, wurde besiegt (Heb 2,14-16). Mit anderen Worten: Das Evangelium ist eine gute Nachricht für uns, weil es uns die Freiheit gibt, nicht zu sündigen. Ja, die Botschaft ist sogar noch besser: Dieselbe Macht, die den Tod und den Teufel besiegt hat – die Macht, die Christus von den Toten erweckt hat – wirkt jetzt in uns durch Gottes erquickenden Geist (Eph 1,19-21). Zweitens: Wenn uns neues Leben geschenkt wurde, wenn wir mit Christus auferweckt wurden, dann können wir das tun, wozu wir geschaffen wurden. Wir können die Dinge tun, die unseren Schöpfer ehren oder – um dasselbe nochmal zu sagen – die uns absolute Freude bringen. Die Botschaft ist aber sogar noch besser: Wenn uns neues Leben gegeben wurde, dann werden wir das tun, wozu wir geschaffen wurden. Wir werden – in diesem Leben – nie vollkommen sein, doch wir werden die guten Werke tun, die Gott für uns im Voraus bereitet hat (Eph 2,10). Wir werden nicht nach demselben Muster und mit derselben Häufigkeit weiter sündigen (1Jo 3,9). Wir werden Gott und andere lieben und die Welt überwinden (1Jo 5,2-5). All das ist möglich, weil Gott in uns lebt und unser neues Leben sicherstellt und es kontinuierlich mit Kraft versorgt.
Na und?
Wir dürfen nicht die große Lüge des Teufels glauben, der zufolge der christliche Glaube mit seinem Wachstum in der Tugend voller Entmutigung, zu schwer oder unmöglich und nicht für den gewöhnlichen Christen gedacht ist. Eines unserer größten Probleme als Christen ist, dass wir nicht das wahre Evangelium glauben, sondern in der Tendenz eine kleinere, domestizierte Fälschung davon. Welchen Unterschied macht dieses wahre Evangelium heute also? Lassen Sie mich zwei Beispiele anführen. Nehmen wir einmal an, Sie haben mit Zorn zu kämpfen. Es gibt heute eine gute Nachricht für Sie. Das Evangelium sagt Ihnen, dass Sie trotz dem, was ihr Fleisch – dieser noch nicht ganz erlöste Teil von Ihnen – oder was der Teufel auch schreit, die Mittel haben, jede Versuchung, die Beherrschung zu verlieren, aushalten können. Und jede Befriedigung, die Satan durch einen Wutanfall oder einen wohl platzierten Faustschlag verspricht, ist ein ziemlich leerer Eimer Befriedigung verglichen mit dem Freudenmeer, das aus gerechtem, den Schöpfer ehrendem Verhalten und nicht zuletzt aus dem Lächeln Ihres barmherzigen Gottes und Ihrem Bruder und Heiland Jesus Christus resultiert. Und das Evangelium tut noch mehr mit der Lüge des Teufels. Es erinnert Sie, wie hoch der Preis war, den Jesus bezahlt hat, um Ihnen die Macht zu geben, nicht auszurasten. Zweitens: Nehmen wir an, Sie haben mit Fleischeslust zu kämpfen. Es gibt heute eine gute Nachricht für Sie. Das Evangelium sagt Ihnen, dass Sie trotz dem, was Ihr teufelbewohntes Fleisch sagt, dem Papiertiger Lust keinen Zentimeter entgegenkommen müssen, wenn er gegen Sie stichelt und Sie angreift. Oder, um eine andere Metapher zu nehmen: Das Evangelium entblößt die Versucherin und hinterlässt eine verschrumpelte, warzige, zynische, verbitterte alte Hexe an ihrer Stelle zurück. Das Evangelium stürzt den Götzen der Fleischeslust, indem es Sie daran erinnert, dass dieser Weg zur Freude eine Sackgasse der Enttäuschung ist. Nichts wirklich Freudvolles wird dort gefunden – sondern nur ein grausamer Sklavenhalter, der sein Eigentum um jeden Preis zurück will. Und das Evangelium erinnert Sie, dass Jesus gestorben ist, damit Sie nicht mehr von der Fleischeslust genarrt werden müssen. Es hat Jesus sein Leben gekostet, das möglich zu machen.
Einige Ratschläge für ein evangeliumszentriertes Leben
Ich möchte mit ein paar Ratschlägen für ein evangeliumszentriertes Leben schließen. Sie sind nicht auf meinem Mist gewachsen. Und sie werden nicht oft befolgt, obwohl sie ziemlich simpel sind. Wenn die gute Nachricht, dass Gott Ihnen in Christus neues Leben gegeben hat, der Motor des Christenlebens ist, dann müssen Sie jeden Tag diese gute Nachricht sich selbst predigen. Denken Sie so oft wie möglich daran, was Gott für Sie in Christus getan hat. Wenn Satan Sie z. B. mit Versuchungen zur Verzweiflung bringt und Sie verurteilt, denken Sie daran, dass Jesus Ihr Todesurteil weggenommen hat; er hat so all Ihren Sünden ein Ende bereitet. Befeuern Sie diese Praxis zudem mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der Gnade: Bibellesen, Gebet, gemeinsame Anbetung, evangeliumszentrierte, Gott feiernde Musik und vor allem Gemeinschaft. Ich möchte mit einem Wort speziell zur Gemeinschaft schließen. Wenn uns, die wir Christen sind, neues Leben geschenkt wurde, dann sollten wir jeden Tag Beweise für dieses neue Leben sehen. Statt dass uns diese Tatsache dazu bringt, in Introspektion zu verfallen (die natürlich auch ihren Platz hat), sollten wir erwarten, jeden Tag im Leben anderer Beweise für neues Leben, Beweise für die Gnade zu sehen. Zu den Dingen, die wir tun können, um den Glauben unserer Geschwister und ihre Freude am meisten zu fördern, gehört es, auf Gottes Wirken in Ihrem Leben hinzuweisen. Ermutigen Sie also Ihren Ehepartner, Ihre Pastoren, Ihre Kleingruppe, indem Sie die Aufmerksamkeit auf das lenken, woran Sie sehen können, dass Gott in ihrem Leben wirkt. Natürlich ist das nicht alles, was man über Heiligung oder über das Evangelium sagen könnte. Und was gesagt wurde, ist nichts Neues. Schließlich gibt es das wahre Evangelium ja auch schon eine Weile. Ja, in jeder guten systematischen Theologie werden Sie sehen, dass sie von der Beziehung zwischen Jesu Auferstehung und unserer Wiedergeburt sowie zwischen unserer Wiedergeburt und unserer Heiligung spricht. Trotzdem wurde dieser Aspekt des Evangeliums aus verschiedenen Gründen übersehen oder zumindest unterbewertet. Folglich haben wir einen sehr zentralen Grund dafür nicht beachtet, dass das Evangelium für uns Christen heute eine sehr gute Nachricht enthält. Predigen Sie dieses Evangelium also sich selbst und geben Sie es weiter – zum Wohle der Gemeinde und zur Ehre Gottes.
Jared Compton promoviert derzeit in Neutestamentlicher Wissenschaft an der Trinity Evangelical Divinity School (USA). Er lebt zusammen mit seiner Frau und ihren zwei Söhnen in Detroit (USA). Der Artikel erschien zuerst bei The Gospel Coalition. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.