Warum Engel über die Gemeinde staunen

Artikel von Pete Woodcock
1. April 2016

Wir leben in einer Zeit, in der die Selbstverwirklichung ganz groß geschrieben wird. Viele Menschen, auch Christen, leben „Ich“-orientiert. Pete Woodcock, Pastor und Evangelist aus Großbritannien und Hauptredner der E21-Regionalkonferenz in Bonn, zeigt in dem Beitrag „Warum Engel über die Gemeinde staunen“, dass Gott uns von einem selbstbezogenen Lebensstil befreien möchte. Die Gemeinde ist der Ort, wo Gemeinschaft eingeübt und erlebt werden kann. In der Gemeinde zeigen sich so viele Facetten der Weisheit Gottes, dass sogar die Engel ins Staunen geraten.

Keine Heiligung ohne Gemeinde

Wenn wir als Christen Gottes Heiligkeit widerspiegeln wollen, kommen wir nicht ohne Beteiligung am Gemeindeleben aus. Ohne hingegebenes Hardcore-Engagement für die Gemeinde ist es unmöglich, ein Leben in gottgefälliger Heiligkeit zu leben. Ich meine damit nicht ein vages Eintreten für das, was häufig die „universale Gemeinde“ genannt wird – Gottes erlöstes Volk aus allen Nationen und Zeiten. Ich meine den leiblichen, sichtbaren, örtlichen Ausdruck der universalen Gemeinde: Ein funktionsfähiger Leib aus von Gott erkauften Menschen. Es ist unmöglich und im Neuen Testament gänzlich unbekannt, heilig zu leben, ohne am Gemeindeleben teilzunehmen.
 
Gott offenbart sich selbst als dreieiner Gott – als Gott in drei Personen. Gott geht es immer um Beziehungen; er war nie Individualist. Gott ist Gemeinschaft. Der Vater war nie einsam und ihm fehlte nie jemand, den er lieben konnte, denn immer hatte er Gemeinschaft mit dem Sohn und dem Geist. In der Tat berichtet uns Johannes in Johannes 1,1: „Das Wort war bei Gott“. Anstatt hier das normale Wort für „bei“ zu benutzen, benutzte Johannes ein Wort, das normalerweise „zu etwas hin“ bedeutet, das Wort war also „zum Vater hin“. Wir könnten sagen: Sie lebten gegenseitig „auf sich hin“. Der Vater und der Sohn lebten von Angesicht zu Angesicht in Liebe.

Zur Gemeinschaft befreit

Als Gott uns schuf, schuf er uns nach seinem Bild. Wir sind für Gemeinschaft gemacht. Im Sündenfall (die Rebellion der Menschheit gegen Gott) geht es um unsere Ablehnung Gottes. Wenn wir die Beziehung zu Gott verlieren, dann verlieren wir interessanterweise auch die echten Beziehungen zueinander. Unsere Abkehr von Gott hat Konsequenzen für die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander umgehen. Wir fangen an, in Lüge zu leben und bauen unsere Beziehungen untereinander auf die selbstbezogene Weise der Rebellen, die die Welt ohne Gott beherrschen wollen (vgl. Röm 1, bes. Röm 1,25).

Wenn Gott uns Menschen durch Jesus Christus aus unserer Sünde errettet, dann versöhnt er uns nicht nur mit sich selbst, sondern hilft uns auch bei der Wiederherstellung unserer Beziehungen zu anderen erretteten Rebellen. Die Bibel gebraucht ein sehr aufregendes Bild, um die Gemeinschaft der Christen mit ihrem Herrn zu beschreiben. Im Epheserbrief wird die Gemeinde tatsächlich als die Braut Christi beschrieben (Eph 5,22–33). Eigentlich gibt es kein Bild, das treffender zum Ausdruck bringen könnte, wie eng die Beziehungen der Christen sein sollen. Gott der Vater bereitet seinem Sohn eine Braut – die Gemeinde. Nicht ein Individuum oder Millionen von Individuen, sondern eine Gemeinschaft. Gott der Vater baut einen „Tempel“ für seinen Heiligen Geist – die Gemeinde. Gott, der Sohn, ist gestorben, um Menschen zu erretten – die Gemeinde, um sie Gott, dem Vater, zu schenken. 

Selbstbezogenheit kann tödlich enden

Wir verlieren diesen Aspekt heute sehr schnell aus den Augen, weil uns das unzeitgemäß erscheint. 
Eines der Schlagwörter unserer Tage ist Selbstverwirklichung: „Du musst tun, was für dich selbst richtig und wichtig ist!“ Oder: „Folge deinem Traum!“ und lass nicht zu, „dass sich dir irgendetwas in den Weg stellt“. Denken wir nicht, dass solche Vorstellungen die Frommen kalt lassen.
 
Ein Psychiater hat einmal diese Vorstellung mit folgenden Worten beschrieben: „Wir haben unsere Sicht auf ein winziges Bild beschränkt – unser Leben, unser Haus, unsere Karriere, unseren Leib und unser Hobby …“ Das Leben dreht sich um das „Ich“. Ich vermute, unsere Zeit wird einmal für diese Selbstbezogenheit in die Geschichtsbücher eingehen. Ähnlich wie die griechische Sage von Narziss.
 
Narziss wies die Liebe anderer Menschen zurück und verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild, da er sich so schön fand. Er verzehrte sich und verschmachtete vor seinem Ebenbild bis zum Tod. Hätte er von seinem Spiegelbild weggeschaut, wäre ihm möglicherweise aufgefallen, dass er nicht das Zentrum des Universums ist. Vielleicht hätte eine Liebe, die auf andere ausgerichtet ist, ihm neuen Lebensmut verliehen. Er sah aber nur sich selbst und starb schließlich an der Selbstliebe.
 
Das Leben als Christ fordert diese Selbstbezogenheit radikal heraus. Ein Christ ist kein Einzelgänger, der seine private Beziehung zu Gott genießt. Christsein hat sehr viel mit Gemeinschaft zu tun.

Vom Leben der ersten Gemeinde

Unter dem Einfluss des Zeitgeistes neigen wir zu der Meinung, im Christentum gehe es um „Jesus und mich“. Nach dem Motto:  „Ich folge Jesus. Warum brauche ich eine Gemeinde?“ Doch dieses Denken findet sich nicht im Neuen Testament. In der Apostelgeschichte wird ständig daran erinnert, dass die Geretteten „hinzugetan“ wurden, d. h. dass sie sich der Gemeinde anschlossen. Am Ende der Pfingstpredigt des Apostels Petrus lesen wir in: „Die nun sein Wort gern annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzugetan an dem Tage ungefähr dreitausend Seelen“ (Apg 2,41).
 
Anschließend wird uns berichtet, was diese jungen Bekehrten gemeinsam taten. Es heißt in Apostelgeschichte 4,42–47):

„Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.“

Die Sache mag für uns ein wenig anders aussehen, da heute die Apostel nicht leiblich anwesend sind. Aber die Grundprinzipen sind die Gleichen und das gibt uns eine feste Vorstellung davon, was Gemeinde ist:

Eine Gemeinde sammelt sich um die Lehre der Apostel. Ein Apostel ist ein „Gesandter“ Jesu – gesandt, das Wort Gottes zu vermitteln. Das Neue Testament ist die Lehre dieser Apostel. Deshalb muss eine Gemeinde großen Wert auf die Heilige Schrift legen. Die Leiter einer echten Gemeinde werden sich den Lehren der Bibel unterstellen (vgl. Tit 1,9). In der Tat wird Gemeinde aus Menschen geboren, die die Botschaft von Jesus annehmen. 
 
Eine Gemeinde ist weiterhin ein Ort der Gemeinschaft, des füreinander Sorgens und des einander Mitteilens. In dieser ersten Gemeinde verkauften die Jünger sogar ihr Eigentum, um füreinander zu sorgen. Gemeinde ist ein Ort, wo man gibt und nimmt und sich kümmert. Eine Gemeinde ist nicht nur eine Ansammlung religiös interessierter Leute, die sich versammeln, um gemeinsam die Vorteile eines Clubs oder eines Sportvereins zu nutzen. Es ist nicht wie im Kino, wo Menschen kommen und sich setzen, den Film in der Atmosphäre der Gemeinschaft ansehen und persönlich bereichert und unterhalten weggehen. In der Gemeinde teilen Menschen ihr Leben miteinander, die demselben Herrn gehören, die von demselben Geist erfüllt sind und denen Gaben gegeben wurden. Sie sind gegenüber der Welt Zeugen ihres Herrn Jesus Christus und leben durch die Kraft des Heiligen Geistes zur Ehre Gottes, des Vaters.
 
Eine Gemeinde ist ein Ort, an dem Jünger ständig auf Gott schauen – im Gebet und indem sie sich einander an das Evangelium von Jesus erinnern. Das „Brotbrechen“, also das Abendmahl, ist die Erinnerung an den gebrochenen Leib und das vergossene Blut Jesu. Jesus brach das Brot und trank den Wein mit seinen Jüngern, ehe er ans Kreuz ging. Er hinterließ uns dieses einfache Mahl zur Erinnerung und zur Wegzehrung. Es malt uns vor Augen, was Jesus für uns getan hat.
 
Eine Gemeinde ist zudem eine lobpreisende Gemeinde. Man sieht in dieser ersten Gemeinde, dass die Christen Ehrfurcht vor Gott hatten. Sie lebt in der Welt und gibt dieser Welt Zeugnis von Jesus Christus. Sie zeigt der verlorenen Welt, wie Gott ist. 

Wenn die Engel staunen

In der Gemeinde zeigen sich so die vielen Facetten der Weisheit Gottes. Die Engel sehen auf die Gemeinde, und sie sehen Gott, wie sie ihn nie zuvor gesehen haben. Wir sagen, wenn wir einem Menschen auf einmal mit anderen Augen sehen: „Ich sehe diese Person jetzt in einem anderen Licht.“ Genau das widerfährt den Engeln, wenn sie auf die Gemeinde schauen. Sie wussten immer, dass Gott ein Gott der Liebe, der Weisheit und der Macht ist. Aber wenn sie auf die Gemeinde schauen, das versammelte Volk Gottes, dann sehen sie Gott in einem neuen Licht. Sie sehen seine Gnade und Langmut. Die Engel schauen nicht nach Hollywood, und sagen „Unglaublich!“. Sie staunen auch nicht über die größten Städte oder die erfolgreichsten Sportler dieser Welt. Die Engel staunen über die Gemeinde!

Eowyn Stoddard

Pete wurde mit 19 Jahren ein Nachfolger Jesu und hat ihm seitdem in vielen verschiedenen Bereichen gedient: als Evangelist, Gemeindegründer und Pastor, sowohl in Großbritannien als auch in Australien. Derzeit ist Pete als Hauptpastor der Cornerstone Church in Kingston tätig, die er selbst vor 13 Jahren mit gegründet hat. Auf der E21-Regionalkonferenz vom 1.-2. Juli 2016 in Bonn wird er der Hauptredner sein. Mehr Informationen zur Konferenz und ein Anmeldeformular gibt es hier.